Bei der Erklärung der Entstehung des Nationalsozialismus ist ein Paradigmenwechsel erforderlich. Die vulgärmaterialistische Verelendungslehre muß von ihrem brüchigen Sockel gestürzt werden. Ein neues Modell, welches neben der Wirtschaft die Kultur in die Betrachtung einbezieht, kann die Verwerfungen dieser Zeit besser erklären: Einerseits beherrschte eine überalterte Führungsschicht, die gedanklich in der Zeit der späten Aufklärung zu Hause war, tradierte Parteien und Gewerkschaften des Kaiserreichs und der Weimarer Republik; auf der anderen Seite durchsetzten die jungen expressionistischen Heißsporne des Kulturbetriebs die bündischen Gremien, Gazetten und Institutionen, eskortiert von Funktiokraten der korporatistischen Wirtschaftsverbände.
Es geht um eine konsistente Erklärung der Entstehung des Nationalsozialismus. Darum erzählt dieses Buch die Geschichte anders herum: Beginn im 19. Jahrhundert bis zum Frühjahr 1933. Dabei werden Perspektiven freigelegt und rekonstruiert, die die Zeitgenossen wirklich hatten und haben mußten, wenn sie sich politisch, wirtschaftlich oder kulturell für ein nationalsozialistisches System entscheiden wollten. Eine Logik der Entscheidungen und Langfristigkeit von Überzeugungen wird deutlich, die bei der üblichen rückwärtigen Betrachtung verlorengeht. Verbindungsknoten zwischen verschiedenen Lebensreformansätzen werden gesucht, gefunden und dargestellt, ebenso wie die Berührung oder Verknüpfung mit nationalsozialistischen Überzeugungen.
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